Wir waren gestern mit ca. 400 Menschen auf der Straße, um für den Erhalt des SubstAnZ zu demonstrieren. Wir danken allen Menschen, die mit dabei waren und mit uns ein starkes Signal gesetzt haben – für selbstverwaltete Freiräume in Osnabrück und überall!
Unser Redebeitrag:
Seit 2009 sind wir als selbstverwaltetes Zentrum SubstAnZ ein fester Bestandteil der Kultur- und Bildungslandschaft der Stadt Osnabrück. In den 14 Jahren fanden im SubstAnZ weit über 700 Auftritte und Konzerte von Künstler*innen aus der ganzen Welt, unzählige Partys, Ausstellungen, Vorträge, Workshops und vieles mehr statt. Für unser kulturelles Engagement wurden wir mehrfach ausgezeichnet.
Das SubstAnZ ist aber auch ein Ort für linke und emanzipatorische Politik, und dabei stets streitbar und unbequem. Verschiedene Gruppen, Initiativen, Kampagnen und Bündnisse, so zum Beispiel die antifaschistische Mitmachkampagne „Den Rechten die Räume nehmen“ oder das Feministische Streikbündnis, nutzen die Räume und Infrastruktur des SubstAnZ für ihre Treffen. Menschenverachtende Ideologien und Verhaltensweisen haben bei uns keinen Platz. Vielmehr versuchen wir, gemeinsam die gesellschaftlichen Verhältnisse zu reflektieren, autoritären Strukturen und Diskriminierung aller Art entgegenzuwirken, Selbstbestimmung und freie Vereinbarungen zwischen gleichberechtigten Personen praktisch zu erproben und so einen Raum zu schaffen, in dem alle Menschen ohne Angst verschieden sein können.
Alles was bei uns läuft, wird ehrenamtlich organisiert und umgesetzt. Sämtliche Entscheidungen werden auf unserem wöchentlichen offenen Plenum im Konsens getroffen. Es ist uns sehr wichtig, auch Menschen mit wenig oder ohne Einkommen die Teilhabe am öffentlichen Leben zu ermöglichen. Eintrittspreise für Konzerte oder Partys sollen – wenn überhaupt – nicht mehr als 5 Euro betragen, außerdem haben wir wohl die günstigsten Getränkepreise in ganz Osnabrück.
Aber nun soll ab September für uns das Licht ausgehen, unser Mietvertrag an der Frankenstraße wird nicht verlängert. Die Eigentümer, denen auch das ganze Areal drumherum gehört, haben Großes vor: Neben den schon existierenden kommerziellen Clubs, Bars usw. soll es weitere Neuansiedlungen von „Kultur“ geben und das Gebiet um die Franken- und Dammstraße als „Party-Areal“ weiter ausgebaut werden. Wir als SubstAnZ stören bei diesen Planungen wohl nur.
Zukünftiges „Herzstück“ des Ganzen: „Die Botschaft“. Aus dem ehemaligen Logistikzentrum der Post an der Frankenstraße soll eine Mehrzweckhalle für Konzerte und Veranstaltungen für bis zu 1400, mit Außenbereich sogar für bis zu 3000 Personen werden. Euphorisch wurde in der NOZ davon geschwärmt, mit der „Botschaft“ werde ein neuer Impuls für Osnabrück gesetzt, und der Ruf des Kulturstandortes Osnabrück werde untermauert. Das SubstAnZ wird in dem besagten Artikel mit keinem Wort genannt.
Statt kleinen Konzerten mit niedrigen Preisen, gemütlichen Kneipenabenden ohne Konsumzwang oder spannenden Vorträgen im SubstAnZ erwarten uns dann also kommerzielle Großveranstaltungen mit hohen Getränkepreisen, die sich Menschen mit wenig Geld ohnehin nicht leisten können. Wenn das eure „Botschaft“ ist – die könnt ihr behalten!
So wird das SubstAnZ als seit langem etablierter politischer und kultureller Freiraum verdrängt, wie es an so vielen Orten passiert. WIr grüßen an dieser Stelle unsere Freund*innen vom Gasometer Münster, AZ Gathe in Wuppertal und allen anderen bedrohten Freiräumen. Verdrängung bedeutet dabei nicht nur Kündigung, Räumung oder Kriminalisierung, allein schon der tägliche kapitalistische Normalzustand bedroht die Existenz vieler Projekte. Eine Stadtplanung und -entwicklung, die optimale Bedingungen für Unternehmen schaffen will, lässt viele Projekte bereits an der Verfügbarkeit und Finanzierung von Räumlichkeiten und an überhöhten Mieten scheitern. Das können sich nur profitorientierte Betriebe noch leisten.
Aber die Stadt muss für alle Menschen da sein. Eine offene Stadtgesellschaft, wie sie Osnabrück so gerne sein möchte, braucht Räume, an denen öffentliches Leben abseits von Konsumzwang und Bevormundung stattfindet, an denen politisches Engagement jenseits von Parteien und Verbänden möglich ist, an denen Aussehen und Geldbeutel keine Rolle spielen, an denen basisdemokratische Prozesse erlernt und gelebt werden, an denen Menschen sich frei und ungezwungen entfalten und bewegen können. Dafür stehen wir als SubstAnZ!
Manche Menschen fragen uns, warum wir überhaupt Forderungen an die Stadt Osnabrück richten. Wir meinen: Die Stadt ist mindestens mitverantwortlich für die Entwicklung hin zur Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes und somit auch für die zunehmende Verdrängung von nicht zahlungskräftigen Menschen und unabhängigen Freiräumen. In Osnabrück will die Stadt die Wagenburg Wabos am Finkenhügel verdrängen, Fridays for Future, Extinction Rebellion und andere sollen ihren Raum in der Turmstraße verlieren und auch überregional sind zahlreiche Projekte bedroht. Wir sehen die Stadt daher in der Verantwortung, zivilgesellschaftliches Engagement, wie es bei uns im SubstAnZ täglich stattfindet, zu ermöglichen und zu fördern – ideell und finanziell, ohne Bedingungen oder Einflussnahme.
Bleibt die Frage, wie es nun für uns weitergeht. Unsere Suche nach neuen Räumen – sei es zum Kauf, zur Miete oder zum Besetzen – war bisher nicht erfolgreich, aber wir suchen weiter und lassen uns nicht entmutigen. Wir werden weiterhin mit Demos und Aktionen unserer Forderung nach Erhalt des SubstAnZ Nachdruck verleihen. Noch ist nicht September – freut euch auf einen heißen Frühling und Sommer!
Eines können wir euch versprechen: Der Ruf nach selbstbestimmten Freiräumen wird nicht verstummen – auch nicht nach dem Ende des Hauses an der Frankenstraße. Uns wird es weiterhin geben – in welcher Form und an welchem Ort auch immer. Wir sollten bei allem aufkommenden Frust und Ohnmachtsgefühlen nicht resignieren, sondern diese negativen und lähmenden Gefühle in positives Engagement umwandeln und umso stärker für unser und euer SubstAnZ eintreten, das wir alle lieben und brauchen!
Nur „Bitte Bitte“ zu sagen bringt nichts, Freiräume werden uns nicht geschenkt, wir müssen sie uns selbst erkämpfen. Dabei wissen wir aus Erfahrung: Nur öffentlicher Druck kann die Verantwortlichen in Rat und Verwaltung dazu bewegen, aktiv zu werden. Und dafür sind wir heute hier auf der Straße. Vielen Dank an alle, die mit uns heute hier sind und mit uns für selbstverwaltete Räume und den Erhalt des SubstAnZ kämpfen!
Wir haben heute auch eine „Botschaft“ für euch:
Wir lassen uns nicht verdrängen! Osnabrück braucht SubstAnZ!
Für mehr Freiräume an allen Orten!