Redebeitrag des SubstAnZ zur Wabos 27.06.23

Wabos bleibt! Oder auch: Wem gehört die Stadt?

„Wem gehört die Stadt?“ Auf diese Frage bekommt man mit Sicherheit verschiedene Antworten, abhängig davon, wen man fragt. Die Frage, die wir uns aber eigentlich stellen sollten, ist: „Wem sollte sie gehören?“

Versuch mal, dir diese Frage ganz unvoreingenommen zu stellen, fernab von jener Ideologie, die uns der Kapitalismus seit unserer Kindheit in die Köpfe gepflanzt hat und die uns wahrscheinlich direkt die Antwort „dem Staat, den Großkonzernen oder den Grundstückseigentümern“ in den Sinn bringt.

Die Gesellschaft, in der wir leben, sollte dafür da sein, allen Menschen ein möglichst gutes Leben zu verschaffen. Denn darum geht es ja letztendlich – wenn man unsere Bedürfnisse auf die Basis herunterfährt. Wir wollen alle ein schönes Leben haben und wünschen uns dies im besten Fall auch für (fast) alle anderen Menschen. 

Unsere Antwort ist deshalb: Die Stadt gehört den Menschen, die drin wohnen, ganz unabhängig von wirtschaftlichen Interessen einzelner, von Firmen oder der Stadtverwaltung, die wie überall immer noch davon überzeugt ist, dass sie „wirtschaftlich handeln“ muss. Das ist kein Prinzip, nach dem eine Stadt verwaltet und eine Gesellschaft strukturiert werden sollte!

Und eine Gruppe von Menschen wohnt seit sehr langer Zeit an einem wunderbaren Ort: der Wabos. Jede:r, der*die dort einmal bereits gewesen ist, weiß die Ruhe,  die Natur und die Menschen dort zu schätzen. Sie haben einen Ort geschaffen, wo sie in einem Maß in der Nähe zur Natur leben, von der ein ökologischer Neubau nur träumen kann.

Doch die Wabos ist nicht nur ein Wohnort, sondern auch ein politischer Ort, und das merkt man nicht nur am 1.Mai, wenn sie alljährlich ihre Pforten zum großen Fest öffnet und dabei Workshops, Vorträge, (Punk-)Musik und Büchertische bietet. Sie bietet einen Ort, an dem Menschen zusammenkommen, sich vernetzen und den Sommer genießen. Wie politisch dieser Ort ist, zeigt sich auch daran, wie unermüdlich sich die Bewohner:innen der Wabos in den letzten Jahren gegen den Akt der Gentrifizierung gewehrt haben, der ihnen diesen Ort nehmen soll und wird. Die Wabos war bereits vor vielen Jahren Teil des Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum und kämpfte gemeinsam mit anderen Akteur:innen der Stadtgesellschaft für bezahlbaren Wohnraum für alle* – dies hielt ein Teil dieser Akteur:innen, insbesondere Parteien, nicht davon ab, ihr in den Rücken zu fallen und weiterhin die Räumung der Wabos voranzutreiben. Dass hierbei auch das Argument der Schaffung bezahlbaren Wohnraums fiel, ist nahezu grotesk, wenn man bedenkt, dass ein Großteil des von der kommunalen Wohnungsgesellschaft geschaffenen Wohnraums wohl für die meisten Menschen nicht in die Kategorie „bezahlbar“ fällt. Es kommt ironischerweise noch hinzu, dass sich die Wabos im teuersten Viertel Osnabrücks befindet – welch lukratives Bauland. 

Diese Verdrängung von unkommerziellen Sozialen und Autonomen Zentren geschieht in jeder Stadt und auf der ganzen Welt. Wir stehen mit emanzipatorischen Projekten auf der ganzen Welt und kämpfen für ein besseres Morgen. Und das Ignorieren von unkommerziellen Interessen der Menschen im öffentlichen Raum beginnt dabei schon so viel früher: sei es bei der drastischen Reduktion von kostenfreien Fahrradständern zugunsten einer kostenpflichtigen Radstation am Bahnhof oder der Belegung von Bürgersteigen und öffentlichen Plätzen durch die Ausweitung der Sitzmöglichkeiten von Gastronomie-Ketten wie McDonalds oder Starbucks, damit diese noch mehr Gewinn einfahren können.

Wir als SubstAnZ stehen solidarisch mit der WabOs! Ebenso wie sie werden wir aus dem öffentlichen Raum verdrängt, uns werden im nächsten Jahr unsere Räume genommen, weil Vermieterfirmen lukrativere Geschäfte mit dem Grundstück winken sehen. Unkommerzielle Kultur ist eben nicht „wirtschaftlich“, und das wollen wir mit Sicherheit auch nicht sein! 

Befreien  wir uns von der Logik, dass alles Geld abwerfen und „sich rentieren“ muss, denn der Wert von Kunst, Kultur, Politik und Freiräumen lässt sich nicht in Geld bemessen. 

Eine Stadt riskiert ihren Frieden – wir bleiben und wir werden kämpfen. WabOs bleibt!

Solierklärung für die WabOS

Etwas verwundert haltet ihr inne, legt die Zahnbürste beiseite, reibt euch den Schlaf aus den Augen und schaut erneut aus dem kleinen Fenster über dem Waschbecken. Gelb. Tatsächlich, was da mit Vollgas auf eure Behausung zuhält, mitten in Corona-Pandemie und Lockdown, ist – ein Bulldozer, am Steuer Stadtbaurat Otte. Da fällt es schwer, nicht in Panik zu geraten.

So oder so ähnlich müssen sich gerade die Bewohner_innen des Wagenplatzes WabOS fühlen; sie sollen, nach über zwanzig Jahren, weichen. Noch im März wird, so der politische Wille, die offizielle Kündigung des Pachtvertrages durch die Stadt Osnabrück erfolgen. Danach ist das Gelände wohl binnen Dreimonatsfrist zu räumen. Deja vu? Ja – aber diesmal wird nicht für den Bau einer Umgehungsstraße geräumt, sondern zur Schaffung von Wohnraum. Klimaneutral soll dieser sein, bezahlbar, die Wohnungsnot in Osnabrück lindern; so stellen sich das jedenfalls die politisch Verantwortlichen der Stadt Osnabrück vor. Klingt eigentlich vernünftig. Nur dass für diesen neu zu schaffenden Wohnraum bereits bestehender vernichtet werden soll; dies ist überhaupt nur möglich, weil es sich in den Augen der Politik wie der Gesetzgebung, um Wohnraum zweiter Klasse handelt.

Man könnte hier die Frage stellen, wieso in unserer ach so freien Gesellschaft ein Leben, dass sich ausserhalb der Normen entfalten will, stets mit Füßen getreten wird; welche ursprünglich antiziganistischen Ressentiments gegen fahrendes Volk sich befriedigend niederschlagen, wenn Verwaltungsangestellte frisch gebackenen TinyHouse-Besitzer_innen erklären, dass Wohnen im Mobilheim schlechterdings innerhalb der Stadtgrenzen gemäß Bebauungsplan gar nicht erlaubt ist, es außerhalb der Stadtgrenzen zunächst mal aber einen Nutzungsänderungsantrag und eine Baugenehmigung bräuchte, ein Baugenehmigungsverfahren für Fahrzeuge aber überhaupt nicht vorgesehen ist. Hauptsache: alle halten sich an die Regeln!

Die Wagenplatzszene kann von solchen Schikanen ganze Opern singen, über die Drangsalierung, und das Gefühl der Unsicherheit – darf mein Wagen morgen noch hier stehen, ich weiter hier leben? Den nächsten Akt in Osnabrück leiten Stadtverwaltung und Politik nun mit der Kündigung des Pachtvertrags für das Gelände der WabOS ein. Dabei wurden seitens der Stadt und der Parteien alle üblichen Register gezogen: widersprüchliche Aussagen, leere Versprechungen, zähe Verhandlungen über Jahre, einseitige Gespräche, halbherzige Alternativen ohne echte, verlässliche Perspektive. Die Schuld wird bereits jetzt der WabOS gegeben: „mit denen sei ja nicht zu reden“. Das aktuell quer durch die etablierten Parteien offenbar wenig Unterstützung für die WabOS zu erwarten ist, erschreckt wie verwundert, denn anders lautende Lippenbekenntnisse gab es in den ver-gangenen Jahren genug. Wie lukrativ eine Umwidmung der Flächen am Westerberg in Bauland sein wird…

Die Grundmotivation für das Projekt SubstAnZ ist der Versuch, einen Freiraum zu schaffen in der unfreien, kapitalistischen Gesellschaft. Die damit verbundene Hoffnung: solche Freiräume können Keimzellen sein für Veränderung. Immer wieder werden sie schikaniert, bedroht und verdrängt. Dagegen bestehen können wir nur gemeinsam. Deswegen erklären wir hiermit unsere Solidarität mit den Bewohner_innen des Wagenplatzes: WabOS bleibt!

Bei Solidaritätsbekundungen soll es aber bitte nicht bleiben; praktisch wird die Unterstützung auf der Demo am 9.3.2021 – denn demonstrieren ist auch in Corona-Zeiten erlaubt, also geht mal wieder raus, Frühlingsspaziergang mit Abstand, und bitte maskiert euch – es ist Auflage!

Alle weiteren Infos findet ihr auf https://www.wabos.org