Solierklärung für die WabOS

Etwas verwundert haltet ihr inne, legt die Zahnbürste beiseite, reibt euch den Schlaf aus den Augen und schaut erneut aus dem kleinen Fenster über dem Waschbecken. Gelb. Tatsächlich, was da mit Vollgas auf eure Behausung zuhält, mitten in Corona-Pandemie und Lockdown, ist – ein Bulldozer, am Steuer Stadtbaurat Otte. Da fällt es schwer, nicht in Panik zu geraten.

So oder so ähnlich müssen sich gerade die Bewohner_innen des Wagenplatzes WabOS fühlen; sie sollen, nach über zwanzig Jahren, weichen. Noch im März wird, so der politische Wille, die offizielle Kündigung des Pachtvertrages durch die Stadt Osnabrück erfolgen. Danach ist das Gelände wohl binnen Dreimonatsfrist zu räumen. Deja vu? Ja – aber diesmal wird nicht für den Bau einer Umgehungsstraße geräumt, sondern zur Schaffung von Wohnraum. Klimaneutral soll dieser sein, bezahlbar, die Wohnungsnot in Osnabrück lindern; so stellen sich das jedenfalls die politisch Verantwortlichen der Stadt Osnabrück vor. Klingt eigentlich vernünftig. Nur dass für diesen neu zu schaffenden Wohnraum bereits bestehender vernichtet werden soll; dies ist überhaupt nur möglich, weil es sich in den Augen der Politik wie der Gesetzgebung, um Wohnraum zweiter Klasse handelt.

Man könnte hier die Frage stellen, wieso in unserer ach so freien Gesellschaft ein Leben, dass sich ausserhalb der Normen entfalten will, stets mit Füßen getreten wird; welche ursprünglich antiziganistischen Ressentiments gegen fahrendes Volk sich befriedigend niederschlagen, wenn Verwaltungsangestellte frisch gebackenen TinyHouse-Besitzer_innen erklären, dass Wohnen im Mobilheim schlechterdings innerhalb der Stadtgrenzen gemäß Bebauungsplan gar nicht erlaubt ist, es außerhalb der Stadtgrenzen zunächst mal aber einen Nutzungsänderungsantrag und eine Baugenehmigung bräuchte, ein Baugenehmigungsverfahren für Fahrzeuge aber überhaupt nicht vorgesehen ist. Hauptsache: alle halten sich an die Regeln!

Die Wagenplatzszene kann von solchen Schikanen ganze Opern singen, über die Drangsalierung, und das Gefühl der Unsicherheit – darf mein Wagen morgen noch hier stehen, ich weiter hier leben? Den nächsten Akt in Osnabrück leiten Stadtverwaltung und Politik nun mit der Kündigung des Pachtvertrags für das Gelände der WabOS ein. Dabei wurden seitens der Stadt und der Parteien alle üblichen Register gezogen: widersprüchliche Aussagen, leere Versprechungen, zähe Verhandlungen über Jahre, einseitige Gespräche, halbherzige Alternativen ohne echte, verlässliche Perspektive. Die Schuld wird bereits jetzt der WabOS gegeben: „mit denen sei ja nicht zu reden“. Das aktuell quer durch die etablierten Parteien offenbar wenig Unterstützung für die WabOS zu erwarten ist, erschreckt wie verwundert, denn anders lautende Lippenbekenntnisse gab es in den ver-gangenen Jahren genug. Wie lukrativ eine Umwidmung der Flächen am Westerberg in Bauland sein wird…

Die Grundmotivation für das Projekt SubstAnZ ist der Versuch, einen Freiraum zu schaffen in der unfreien, kapitalistischen Gesellschaft. Die damit verbundene Hoffnung: solche Freiräume können Keimzellen sein für Veränderung. Immer wieder werden sie schikaniert, bedroht und verdrängt. Dagegen bestehen können wir nur gemeinsam. Deswegen erklären wir hiermit unsere Solidarität mit den Bewohner_innen des Wagenplatzes: WabOS bleibt!

Bei Solidaritätsbekundungen soll es aber bitte nicht bleiben; praktisch wird die Unterstützung auf der Demo am 9.3.2021 – denn demonstrieren ist auch in Corona-Zeiten erlaubt, also geht mal wieder raus, Frühlingsspaziergang mit Abstand, und bitte maskiert euch – es ist Auflage!

Alle weiteren Infos findet ihr auf https://www.wabos.org

Schutzmaßnahmen für Alle und zwar sofort!

Am 21.04. wurde ein offener Brief an die Mitglieder des Rates der Stadt Osnabrück verschickt. Gefordert werden schutzschaffende Maßnahmen für Geflüchtete, Obdachlose und schutzbedürftige Frauen und Kinder in der Coronakrise. Initiiert von NoLager und unterstützt von Exil e.V., fand der offene Brief weitere Unterzeichner*innen bei Osnabrücker Initiativen und Organisationen. Auch das SubstAnZ unterstützt die Forderungen.

Offener Brief an den Stadtrat Osnabrück initiiert von No Lager Osnabrück und mit Unterstützung von Exil e.V.

Sehr geehrte Mitglieder des Rates der Stadt Osnabrück,

seit einigen Wochen befindet sich die Welt im Ausnahmezustand: Die Gefahren des neuartigen Coronavirus. Überall wird zur Solidarität und Rücksichtnahme aufgerufen, sei es die Rücksicht auf Risikogruppen oder das Verständnis für die mitunter extrem restriktiven Eingriffe in unsere Grundrechte. Viele Menschen stellen sich gerade ganz existenzielle Fragen: Wie sie beispielsweise in der aktuellen Situation ihre Miete zahlen sollen oder ob ihre Freund*innen, Kolleg*innen undvAngehörigen die nächsten Monate gesund überstehen. Hinzu kommt die drohende Rezession, deren Folgen aller Voraussicht nach ein deutlich größeres Ausmaß als die Weltfinanzkrise von 2008 annehmen werden. Auf kommunaler und auch auf Länder- und Bundesebene werden alle zur Verfügung stehenden Mittel zur Abfederung der wirtschaftlichen Konsequenzen bemüht, um jenes System weiterhin zusammenzuhalten, welches all diese Ereignisse überhaupt erst möglich gemacht hat.

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Corona zur politischen Frage machen!

Liebe Leute,
auf Grund der aktuellen Vorkommnisse schließen wir, wie ihr ja schon mitbekommen habt, das SubstAnZ bis auf Weitere! Das bedeutet, dass in  dieser Zeit alle Veranstaltungen (Partys, Konzerte, Kneipen, Plena usw.) abgesagt werden. Wir hoffen sehr, dass die öffentlichen Maßnahmen bis dahin Wirkung zeigen und werden so früh wie möglich weiterführende Informationen veröffentlichen.
Für uns ist klar, dass wir Verantwortung füreinander übernehmen und solidarisch für alle Menschen einstehen, die einer Risikogruppe angehören. Unsere politische Arbeit erschöpft sich nicht im Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus oder Homo- und Transfeindlichkeit, etc. Mit dem Blick auf die aktuelle #Corona-Pandemie bedeutet es, dass wir die notwendigen und möglichen Maßnahmen durchführen werden, die Menschen schützen und Leben retten können.

 “Corona” zur politischen Frage machen! 
#Klimanotstand, mörderische #EU-Grenzpolitik, #Hanau, #Mietenwahnsinn und nun die Zuspitzung des #Pflegenotstandes:  Ausgerechnet jetzt will sich die Bundesregierung als “Macher”  inszenieren. Doch bis auf Kapitalzusagen und Appellen sind ihre Hände leer. 
Gerade jetzt ist internationale Solidarität das Gebot der Stunde. Und während die Bevölkerung zu solidarischem Handeln aufgerufen wird, setzen die EU-Staaten faktisch das Recht auf Asyl aus, lassen zehntausende Menschen in den Massenlagern an der EU-Grenze sehenden Auges verelenden, sperren, wie zuletzt in Suhl geschehen, Geflüchtete in den Massenunterkünften ein. BAMF-Anhörungen finden nicht mehr statt, die Resettlement-Programme der EU werden ausgesetzt und nicht einmal 1500 Kinder aus den Elendslagern auf Lesvos sollen jetzt aufgenommen werden können. Gleichzeitig werden Abschiebungen wie gehabt durchgeführt. Die mörderische EU-Grenzpolitik wird durch fehlende Gesundheitsversorgung im Angesicht des Corona-Virus noch einmal dramatisch verschärft. Anstatt die Geflüchteten aufzunehmen, die Elendslager in der gesamten EU und außerhalb zu evakuieren und die Menschen in leerstehenden Wohnungen, Hotels und auf Kreuzfahrtschiffen unterzubringen, wird ihnen sämtliche Solidarität versagt.
Die Gesundheitsversorgung für Geflüchtete, Wohnungslose und illegalisierte Menschen war auch in Deutschland schon vor der Corona-Krise katastrophal. Das Klassen-System tut ihr Übriges für die restliche Gesellschaft. In der Krise zeigt sich nunmehr umso deutlicher, dass die jahrelange Ausrichtung des Gesundheitswesens entlang herrschender Marktlogiken erst dazu geführt hat, dass tausende Pflegestellen unterbesetzt bleiben. Die Knappheit an Medizinprodukten und die (drohende) Überlastung des Gesundheitswesens zeigen deutlich auf, dass eine bedarfsgerechte, solidarische Verteilung von überlebensnotwendigen Leistungen und Gütern im Kapitalismus nicht umsetzbar ist. National-autoritäre, kapitalgetriebene Egoismen brechen sich in diesem System einmal mehr Bahn und äußern sich in Abschottungs- und Ausgrenzungspolitiken für die Menschen. Während im Privaten sinnvollerweise soziale Kontakte eingeschränkt werden sollen, um das Virus einzudämmen, wird weiter am Arbeitsfetisch festgehalten. Das kapitalistische System soll so mit aller Kraft aufrechterhalten werden. Nicht nur in Zeiten einer Pandemie hat dies tödliche Konsequenzen. Auch unter der Coronakrise leiden vor allem die Menschen, die sonst schon erschwerte Lebensbedingungen haben. Denn sie trifft nicht, wie gerne behauptet wird, alle gleich.
All dies zeigt, der (globale) Kapitalismus ist Teil des Problems und nicht der Lösung! Eine Lösung gibt es nur mit Solidarität und Kooperation. 
Wascht euch die Hände, bleibt gesund und informiert!

 Euer SubstAnZ

*] Inspiriert vom Statement des AZ Köln

06.03.2020: Gelbwesten – Zu den Klassenauseinandersetzungen in Frankreich

Als der französische Präsident Emmanuel Macron im Oktober 2018 eine Steuererhöhung auf Diesel und Benzin verkündete, rechnete wohl kaum jemand mit dem, was in den kommenden Monaten passieren sollte. Die Revolte der Gelbwesten traf nicht nur die Regierung völlig unerwartet, auch die traditionelle Linke wusste mit den Forderungen, Aktionsformen und Symboliken zunächst nichts anzufangen.

Die Gilets Jaunes kamen buchstäblich aus dem Nichts: Sie nahmen ihren Ausgangspunkt an den verlassenen Kreisverkehren der französischen Peripherie, mobilisierten sich in den Untiefen der sozialen Netzwerke und verweigern sich weiterhin hartnäckig jeder Form der Repräsentation. Was führte zu dieser unvorhergesehenen Explosion?

Vortrag und Diskussion von und mit einem Genossen von translib.

Start: 19:00 Uhr